Den Wunsch, einen eigenen Hund in mein Leben zu holen, habe ich schon seit ich denken kann. Doch ich hatte eigentlich vor, ihn erst nach dem Studium zu verwirklichen. Ich hatte es nicht geplant, schon jetzt ein Tier in mein Leben zu holen, das so viel Verantwortung mit sich bringt. Aber manchmal sind außer Plan mäßige Dinge genau die richtigen. Sie stellen zwar dein ganzes Leben und deinen Alltag auf den Kopf, doch da steht es dann oft auch genau richtig!

In den Sommerferien 2018 ging es für mich wieder mit meiner Mutter, Oma und Großcousine in den Sommerurlaub nach Djerba – eine Insel in Tunesien. Wir machen dort schon seit einigen Jahren immer „Frauenurlaub“ im Sommer. Auf Djerba gibt es eine kleine Hundestation – das „Farhan“. Dort kümmert sich Fatima mit ihrem Sohn sehr liebevoll um viele Hunde, die auf Djerba gerettet werden und vermittelt diese auch nach Deutschland. Mittlerweile besuche ich Fatima und ihre Hunde jedes Mal, wenn ich dort auf der Insel bin. Es ist immer etwas ganz Besonderes dort inmitten der ganzen Hunde zu sitzen. Viele der Tiere mussten schon so furchtbare Dinge erleben und haben durch Menschenhand ganz viel Leid ertragen. Und trotzdem bringen diese Tiere einem so viel Liebe und Vertrauen entgegen.

Wir kamen also am 16.7.18 an unserem Club an. Es war wieder ein Traum: das Wetter, die Leute, die Luft, das Essen, alles einfach perfekt. Trotzdem ging es mir nicht gut, denn der Tod meiner Kuh „Zora“ und ihrem Kalb saß noch tief. Die Freude war also groß, als ich eine Bekannte in unserem Club beim Essen traf. Sie war diejenige, die mir in einem vorherigen Urlaub von der Station erzählt und mich das erste Mal dorthin mitgenommen hatte. Ich war Feuer und Flamme, als sie mich fragte, ob ich sie und ihren Sohn wieder dorthin begleiten wollte. NA KLAR! Was für eine Frage?! Die nächsten Tage freute ich mich so sehr auf den Besuch bei Fatima, dass es mir schon viel besser ging. Und dann war es auch endlich soweit: Ich traf mich mit den Beiden in der Hotellobby und zusammen warteten wir vorm Club an der Straße auf das Taxi, das uns abholen sollte. Die Fahrt dauert immer fast eine Stunde und wir zahlen jedes Mal umgerechnet insgesamt nur neun Euro. Echt Wahnsinn. ( Natürlich geben wir dem netten Fahrer immer noch Trinkgeld :])

Nach langer Fahrt kamen wir endlich an: Schon vor dem Tor, hören wir die ganzen Hunde bellen. Sie haben das Taxi bemerkt und freuen sich auf den Besuch. Als Fatima das Tor öffnet und wir in den Hof treten, sind wir in Sekundenschnelle von unzähligen kleinen und großen Hunden umgeben, die um unsere Beine wuseln um uns zu begrüßen. Eine kleine, sehr dünne Hündin rennt auf mich zu und springt mich an. Mit ihren Pfoten kratzt sie an meinem Arm. Sie sieht wunderschön aus. lange dünne Beine und ein buschiger Schwanz mit weißer Spitze. Sie klappt ihre spitzen braunen Ohren nach hinten, was sie ein bisschen wie eine Fledermaus aussehen lässt, und guckt mich aus großen, braun-orange farbenen Augen an. Mein Herz hüpft, so süß sieht sie aus. „Die will, dass du sie auf den Arm nimmst…“, sagt Fatima, „…sie ist so eine Verschmuste“. Sie grinst und stapft durch das Gewusel. Ich muss schmunzeln und schnappe mir die viel zu leichte kleine Hündin, die mir begeistert über die Nase schleckt. Mit ihr auf dem Arm, bahne auch ich mir einen Weg durch die Hunde und setze mich an den Tisch auf der Terrasse. Sofort dreht sich die Kleine auf den Rücken und streckt mir ihren nackten Bauch entgegen. Da sitze ich nun, umzingelt von Hunden auf einer staubigen Terrasse in Tunesien, mit einer kleinen, abgemagerten Hündin auf dem Schoß und bin so glücklich wie schon lange nicht mehr. “Sie heißt Husky.“ Fatima kommt mit einer Kanne Kaffee aus dem Haus. „Touristen haben sie zu mir gebracht, weil Polizisten sie am Strand erschießen wollten. Die Kleine ist erst ein paar Monate alt und war so zutraulich, dass die Touristen das nicht zulassen wollten.“ Schrecklich! So ein kleines, liebes Wesen, das nur jemanden sucht, der ihm Zuneigung und Schutz gibt, weil es die eigene Mutter anscheinend nicht konnte. Und dann kommen da Menschen, denen diese kleine Fellnase blind vertraut und wollen sie dann erschießen. Eine schlimme Vorstellung, vor allem da die Hunde auf Djerba von der Polizei mit Schrot häufig nur angeschossen und danach einfach liegen gelassen werden. Die Tiere verenden dann qualvoll in der prallen Hitze.

Die kleine Husky guckt zu mir hoch und hechelt. Dabei sieht sie aus, als würde sie lächeln. Sie hat ein sehr interessantes Gesicht: ein weißer Streifen zieht sich von der Nasenspitze hoch zur Stirn, auf der anderen Seite ist der Streifen schwarz. Was da wohl für Rassen drin stecken? Wir sitzen noch lange dort bei Fatima und lauschen betroffen ihren Geschichten über die Hunde, die sie retten konnte und trinken Kaffee. Immer wieder setze ich mich auf die Treppe zum Hof und lasse die Hunde um mich herum wuseln. Hier mitten unter den Tieren fühle ich mich wieder wie neu geboren. Das Gefühl ihnen helfen zu wollen und diesen lieben Tieren einen Halt und ganz viel Liebe zu geben, weckt mich regelrecht auf. Unglaublich wie viel Vertrauen Tiere einem entgegen bringen können, die schon so furchtbare Dinge erleben mussten. Für Hundekämpfe missbraucht, geschlagen, verbrannt, mit aneinander gebundenen Pfoten aus dem Auto geworfen, extra verwundet, alleine gelassen, angeschossen, vergiftet, getreten, misshandelt…… jede nur erdenkliche Gräueltat, die man sich nur vorstellen kann, mussten viele dieser Hunde über sich ergehen lassen. Trotzdem kommen sie ohne Angst oder Aggressivität auf mich zugelaufen und schenken mir ihr Vertrauen. Ein Vertrauen darauf, dass ich ihnen nicht weh tue und dass ich ihnen Zuneigung entgegen bringe. Ein Gedanke, der einem die Tränen in die Augen treibt, wenn man an die vielen Tiere denkt, die dieses Vertrauen Menschen entgegen brachten und welche sie dann so schlimm behandelt haben.

Die Zeit bei den Hunden geht jedes Mal viel zu schnell herum. Ich würde am liebsten immer stundenlang dort sitzen und mich um die Tiere kümmern. Doch wie jedes Mal mussten wir wieder zurück zum Club… zum Abendessen ;o)… Schweren Herzens verabschiedete ich mich wieder von Fatima und den ganzen Hunden und knuddelte noch einmal „Husky“. Zurück im Club ging es dann direkt ins Zimmer umziehen, duschen und schnell zum Essen. Den ganzen Abend erzählte ich nur von dem Tag bei den Hunden und von Husky, zeigte die Bilder, die wir gemacht hatten und strahlte übers ganze Gesicht. Und auch am nächsten Tag kreisten meine Gedanken noch um die Hunde. Als meine Mutter und ich dann ins Meer gingen, musste ich an meine Kuh denken. Mir wurde bewusst wie schlecht es mir ging seit sie nicht mehr da war, und ich fing an zu weinen. Der Besuch bei den Hunden hatte mich so glücklich gemacht. Es war das erste Mal seit Wochen, dass ich wieder richtig lachen konnte und das hatte auch meine Mutter bemerkt. Ich erzählte ihr nochmal von der kleinen Hündin Husky und wie schön es war, dass sie direkt zu mir kam. Als hätte sie gewusst, dass ich Trost brauchte. Die besondere Bindung zu einem eigenen Tier fehlte mir. „Weißt du was, warum holst du sie denn nicht einfach zu dir?“ fragte meine Mutter. „Sie zu mir holen? Aber wie soll das gehen mit dem Studium?“ Der Gedanke war zu schön um wahr zu sein. Aber warum eigentlich nicht? Wieso sollte ich es nicht schaffen? Ich redete lang mit meiner Mutter und rief meinen Vater Zuhause an. Als er hörte wie fröhlich mich der Besuch bei der Hundestation gemacht hatte, sagte er: „Wenn du dir das so sehr wünscht und es dich so glücklich macht, dann tu es doch.“ Und das tat ich auch. Ich schrieb sofort Fatima und diese war total begeistert. Am 22.7.2018 saß ich also mit sandigen Füßen und nassen Haaren auf einer Liege im Sand auf Djerba und heulte Freudentränen, weil ich gerade meine erste eigene Hündin adoptiert hatte. Ich fühlte mich einfach unbeschreiblich. Jetzt hieß es nur noch ABWARTEN… Ich wartete fast vier Monate lang, bis „Nala“ (so taufte ich sie um 😀 ) endlich mit dem Flieger zu mir kam. Das war wirklich die längste Zeit meines Lebens. Ich konnte jeden Tag an nichts anderes denken als an meinen Hund, und Fatima musste mir ständig Bilder schicken. Am 18.11.2018 war es dann eeendlich soweit. Mit meiner besten Freundin fuhr ich nachts los, um die Familie zu treffen, die Nala auf dem Flug mitgenommen hatte.
Sie selbst hatten auch einen Hund adoptiert bei Fatima und waren nach Djerba geflogen, um ihn abzuholen. Um 4 Uhr morgens kam sie dann endlich am Treffpunkt an, und Nala war endlich bei mir.

Ich kann nur sagen, dass es die allerbeste Entscheidung meines Lebens war, Nala zu mir zu holen und ich es nicht einen einzigen Moment bereut habe. Sie bereichert einfach mein Leben und ich bin endlich wieder glücklich und super stolz eine Hundemama zu sein!